Fight for Feminism: Feminismuskongress in Frankfurt

Ein ganzes Wochenende lud der Juso-Bundesverband vom 23. bis 24. Oktober 2010 zum Feminismuskongress nach Frankfurt ein. In verschiedenen Workshops und Plena konnten alle interessierten Jusos einen Eindruck über die vielfältigen Feminismusströmungen sowie dessen Ausprägungen in der Gesellschaft machen. Bei vielen Diskussionen wurde eins klar: die Jusos nennen sich einen feministischen Richtungsverband, doch was sie aber darunter verstehen, darüber herrschte nicht immer Einigkeit.

Die Jusos und die SPD bekennen sich zum sozialistischen Feminismus und erkennen, dass in der Familie, in der Arbeitswelt und im gesellschaftlichen Leben Stereotype und eingefahrene Rollenbilder dominieren. Dies macht es zu einer großen Herausforderung, speziell zum Thema Feminismus und Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen zu arbeiten: „Viele Bildungs- und Aufklärungskampagnen müssen gesamtgesellschaftlich noch betrieben werden, um alle Menschen zu diesen Themen zu sensibilisieren. Aber auch innerparteilich gilt es noch viele verkrustete Denkmuster aufzubrechen“, so Nadine Hermann, Leiterin des Juso-Frauenforums im Bezirk Braunschweig.

Die vielen Workshops auf dem Kongress befassten sich mit unterschiedlichen Problemen und Fragestellungen auf die wir in unserem Alltag treffen. Es wurde sich unter anderem mit Frauen- und Männerbilder in den Medien und der Werbung auseinandergesetzt oder die Fragen diskutiert, ob es sich bei Sex and the City um moderne Emanzipation handele und wann ein Verhalten sexistisch sei. In Workshops über feministische Theorien oder der Kritik am Biologismus, wie wir ihn aus Büchern kennen wie „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ kam auch die wissenschaftliche Analyse der Thematik nicht zu kurz.

In einem männlich dominierten Jugendverband wie den Jusos können Frauen nicht allein für den Kampf um Gleichstellung innerhalb des Verbandes zuständig sein. Dennoch ist es für die Frauen innerhalb der Jusos wichtig, dass es Strukturen gibt, in denen Frauen sich gegenseitig unterstützen, informieren, bilden und helfen können. „Mit unserem Frauenforum im Bezirk Braunschweig haben wird diesen Trend schon vor Jahren frühzeitig erkannt und machen sehr gute Erfahrung. Durch dieses Forum ist es uns gelungen, viele Frauen stärker für die innerparteiliche Gremienarbeit zu gewinnen. Durch weitere Bildungsarbeit trägt es ebenfalls zu einer stärkeren Vernetzung untereinander bei“, so Hermann abschließend.

In den zahlreichen Diskussionen in und am Rande der Workshops zeigte sich immer wieder, dass die Fragestellung, wie die Juso-Definition von Feminismus aussieht noch nicht vollständig beantwortet ist. Feminismus ist nicht gleich Feminismus. Er ist vielmehr ein Sammelbegriff für viele verschiedene Strömungen und Ausrichtungen. „Viele Fragen bleiben oder werden auftauchen. Wir freuen uns auf die kommenden Diskussionen und werden uns aktiv daran beteiligen.“ Darin waren sich die Teilnehmenden aus dem Bezirk Braunschweig einig.

Der konservative Feminismus
Der konservative Feminismus stützt sich auf Stereotype, die das traditionelle Familienbild verfestigen, also das Bild des tapferen Mannes, der die Familie ernährt und seiner treuen Frau, die zu Hause bei den Kindern ist und am Herd steht. Der konservative Feminismus sieht diese Familienstruktur als Natur gegeben an und will die Rolle der Hausfrau und Mutter innerhalb dieser Strukturen stärker würdigen. Er baut auf der Theorie auf, dass Frauen und Männer nicht nur körperlich sondern auch geistig unterschiedlich seien. Forderungen nach einem Betreuungsgeld entstammen dieser Strömung.

Der neoliberale Feminismus
Der neoliberale „Elitefeminismus“ a la Silvana Koch-Mehrin, oder wie in der Serie „Sex an the City“ vorgelebt, geht davon aus, dass jede Frau es zu einer Karrierefrau und persönlicher Unabhängigkeit schaffen könne, wenn sie sich nur genug anstrengen würde. Dabei sind den Frauen, die sich dieser Strömung zugehörig fühlen, strukturelle Ungleichheiten und soziale Benachteiligungen zwischen den Geschlechtern völlig fremd.
Zu dieser Strömung zählt zum Beispiel die Forderung nur nach mehr Frauen in Führungspositionen, also Männer durch Frauen auszutauschen. Dadurch würden nur privilegierte Frauen unterstützt. Es würde jedoch nicht die Situation aller Frauen verbessern. Auch eine Frau an der Spitze eines Staates oder eines Unternehmens bedeutet nicht, dass Gleichstellung erreicht ist.

Der Neofeminismus
Der Neofeminismus oder auch Pop-Feminismus ist das, was heute auch als Dritte-Welle-Feminismus bezeichnet wird. Dritte Welle sagt schon, dass es noch eine erste und eine zweite Welle des Feminismus gab. In der ersten Welle lehnten sich Frauen im 19. Jahrhundert gegen ihre Unterdrückung und politische Unmündigkeit auf. Der Zweite-Welle-Feminismus in den 1960er Jahren war der Kampf der Frauen für ihr Recht, selber über ihren Lebensweg und ihren Körper entscheiden zu können. Die jungen Frauen der dritten Welle profitieren aus dem Kampf ihrer Vorfahrinnen. Sie wollen sich aber von ihren Vorstreiterinnen der zweiten Welle, die häufig als unsexy und frustiert dargestellt werden, abgrenzen.
Die Neofeministinnen sind selbstbewusste junge Frauen, hauptsächlich aus der sozialen Oberschicht. Sie interessieren sich für Mode und gehen offen mit ihrer Sexualität um. Die Frauen kommunizieren in Büchern, Zeitschriften wie dem Missy-Magazine, in der Musik oder in Blogs. Die Neofeministinnen wehren sich gegen die stärker werdende Akzeptanz der Rollenbilder in den Medien, wie den unter anderem durch Eva Herman geprägten Muttermythos. Ihre Auflehnung ist wie im neoliberalen Feminismus eher auf die Änderung der individuellen Anerkennung als auf gesamtgesellschaftliche Veränderung ausgerichtet.

Der sozialistische Feminismus (Jusos)
Der sozialistische Feminismus erkennt und kritisiert in erster Linie die vorherrschenden Machtstrukturen, die durch Diskriminierung und Unterdrückung am Leben erhalten werden. Sie schreiben Männern die dominierende Rolle in unserem Gesellschaftssystem zu, welches auch als Patriarchat bezeichnet wird.
Diese Strukturen sind zum Beispiel daran zu erkennen, dass Frauen im Durchschnitt rund ein Viertel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Auch international gesehen sind Frauen die ärmsten der Armen. Frauen sind in vielen Ländern noch Eigentum ihrer Männer – auch in Deutschland mussten sich Frauen ihre Eigenständigkeit erst erkämpfen. Männliche Macht wird auch sichtbar bei sexuellen Übergriffen bei denen meist noch den Frauen die Schuld daran gegeben wird. Der sozialistische Feminismus ist der Kampf für eine Gesellschaft, in der alle Menschen selbstbestimmt, gleich, frei und solidarisch miteinander leben. Dem sozialistischen Feminismus geht es nicht darum privilegierten Frauen zu helfen, sondern in erster Linie die Frauen zu unterstützen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen, ihrer Situation zu entfliehen.

„Typisch weibliches“ oder „typisch männliches“ Verhalten gibt es nicht, diese Verhaltensunterschiede werden durch geschlechtsspezifische Erziehung und Aufgabenteilung konstruiert. In einer gleichgestellten Gesellschaft werden Menschen als Individuum, nicht als einem Geschlecht zugehörig wahrgenommen und behandelt.
Die im Feminismus geforderte Gleichstellung von Mann und Frau ist in einem kapitalistischen System nicht möglich, denn der Kapitalismus und das Patriarchat basieren auf Unterdrückung und Ungleichheit der Menschen. Somit beinhaltet der Feminismus auch eine systemüberwindende Strategie und ein gewisses kämpferisches Element.
„Ein Sozialist ist ein Feminist, oder er ist kein Sozialist“ (August Bebel).